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Mentale Krisenintervention - 10 Tipps für gute Selbstfürsorge

 

In Phasen, in denen uns eine Hiobsbotschaft nach der anderen erreicht, ist es wichtig, das mentale Steuerrad zu übernehmen. Diese 10 Tipps liefern Ideen, wie du mit gezielter Selbstfürsorge durch emotional belastende Zeiten kommst.

 

Am Morgen des 6. November 2024 erhielt ich frühmorgens eine Nachricht von meiner Tochter. "hier ein Bild von deinem süßen Enkel - ich glaub, das brauchst du jetzt!". Und ja: für einen Moment zauberte mir das Foto ein Lächeln ins Gesicht.

 

Doch dann trat der gegenteilige Effekt ein, denn seit seiner Geburt Ende September betrachte ich die Welt aus diesen Neugeborenen-Augen. Was ich da sehe, bekümmert mich zutiefst. Sehr schnell wurde mir klar, dass ich jetzt aktiv mentale Krisenintervention betreiben muss. 

  

Da ich mich dieses Jahr viel besser als 2016 auf ein für mich unvorstellbares Wahlergebnis in den USA emotional vorbereitet hatte, lag schon eine kleine Liste an Bewältigungsstrategien bereit. 

 

Hier sind meine Top 10:

1.) a picture a day, keeps stress away


Mit Heike (Wellmann) vereinbarte ich, dass wir uns eine Woche lang, jeden Abend ein Foto schicken, das einen schönen, bereichernden und guten Moment des Tages repräsentiert. Ähnlich wie bei einem Erfolgstagebuch bewirkt sowohl die Rückschau, als auch die Achtsamkeit in der Gegenwart und sogar das aktive Herstellen eines solch schönen Momentes sehr viel.

  

Das Teilen des Bildes war dann schließlich das tägliche Sahnehäubchen. Danke, Heike, für die Begleitung durch diese Woche!

2.) One minute throw up mentally


Ein leeres Blatt Papier, ein Timer und ein Stift - mehr brauchst du nicht, um dich gedanklich und emotional entleeren zu können. Starte den Timer und schreibe in einer Minute alles auf, was dir durch den Kopf geht: Gedanken, Sorgen, Emotionen ... . Es können kurze Sätze sein, meist werden es Stichwörter.

  

Ich mache das immer dann, wenn ich merke, dass mein Gedankenkarussell wieder losgeht. Anfangs war es mehrmals am Tag, jetzt wird es immer weniger.

3.) Time-Boxing für's Drüber-Reden


In den ersten Tagen nach der US-Wahl sprachen wir im Freundeskreis über nichts anderes. Immer wieder kauten wir die Konsequenzen und Szenarien und neuesten News durch bis wir selbst merkten, dass das nicht gut tut. Natürlich ist es wichtig, mit anderen darüber zu sprechen, doch die Dosis ist das entscheidende. 

 

Als wir beschlossen, dieser Unterhaltung eine Zeitbeschränkung (TimeBox) von einem Glas Wein / Bier / Limo / Saft zu geben, gibt es auch wieder Raum für anderes. Das ist wohltuend.

4.) Bewusst anderen Gesprächsstoff wählen


Nach dieser TimeBox herrschte oft Gesprächspause, vermutlich durch ein In-Sich-Kehren - was ich an sich sehr gerne mag. Wer mit anderen schweigen kann, ist in wirklich guter Gesellschaft! Bewusst einen anderen Gesprächsstoff als das "Elend der Welt" zu wählen, führt dazu, dass die Aufmerksamkeit auf anderes - auf das "Schöne der Welt", gerichtet werden kann.

 

Schneller Themenwechsel kann über die folgenden Fragen erfolgen:

https://www.5schnellefragen.de/

5.) Dissoziieren, dissoziieren, dissoziieren


Eine meiner Lieblingstechniken aus dem NLP: das emotionale Distanzieren. Zum Glück habe ich 25 Jahre Übung darin, so dass ich schon gut weiß, welche der vielen Methoden bei mir am besten funktioniert.

 

Vielleicht findest du ja auch deine Lieblingsvariante? Z.B. sich selbst oder die Situation aus der Kameraperspektive betrachten, wie eine Kommentatorin innerlich beschreiben, Wissenschaftler:innen Brille einnehmen, Zeitsprung machen, inneres Bild mit Submodalitäten verändern .... 

 

Die NLPler wissen, wovon ich spreche.

6.) Auspowern durch (ungewohnten) Sport


Annalena Baerbock erzählte in einem Interview, dass sie nachts durch Berlin joggte, um überwältigende Gedanken in den Griff zu bekommen. Damit ist sie nicht alleine - Sport ist eine der besten Möglichkeiten, um emotionalen Stress abzubauen. 

 

Ich habe mich bewusst auch für Joggen entschieden, weil ich das sonst nie mache und mich das körperlich tatsächlich so auspowert, dass ich entspannt wieder zurück komme. Das mache ich bei akutem Gedanken- bzw. Emotions-Stress (wenn es möglich ist).

7.) Informieren - ja! Aber gebündelt!


Ich persönlich gehöre nicht zu den Menschen, die bewusst auf Nachrichten verzichten, um sich etwas Gutes zu tun. Ich brauche diese regelmäßige Informiertheit - aber nicht andauernd. Statt ständig die SZ, Spiegel Online oder tagesschau Ticker zu checken, habe ich mich für einen geordneten, reduzierten und v.a. gebündelten Konsum entschieden. 

 

Morgens nach dem Aufstehen und - ja, ich weiß, das ist eigentlich ungünstig - abends nach dem Essen. Dadurch bleibe ich gut informiert, ohne ständig mit Neuem überfordert zu werden.

8.) My Impact for you


Hilflosigkeit und Kontrollverlust sind meist das, was uns in solchen Phasen so massiv belastet. Kriege, Umweltkatastrophen, Hinrichtungen, faschistische Politik, Rechtsradikalismus usw. sind große Themen, die über uns hinwegfegen.

 

Statt in Schockstarre zu verharren, tut es der eigenen Seele gut, sich zu überlegen: wo liegt mein Wirkkreis. Wie kann ich in meinem Umfeld eine positive Veränderung bei anderen Menschen bewirken?

 

Schreibe eine Liste mit mindestens 10 Dingen, mit denen du unmittelbar etwas Gutes bewirkst (z.B. die Mutter mal wieder anrufen, die sich freut. Oder der Nachbarin ein Stück Kuchen mitbringen. Oder dem Kollegen etwas Nettes sagen ... . ) Tut nicht nur den anderen gut, sondern auch einen selbst.

9.) Reframing für eine erweiterte Perspektive


Letztlich geht es beim Reframing (auch aus dem NLP) immer um die Frage: was ist das Gute daran? Hmm, zugegeben, diese Methode fällt mir bei solchen Themen oft sehr schwer.

 

Daher setze ich sie anders ein: statt mich zu fragen: was könnte das Gute an der Überflutung von Valencia sein (was für mich eine nahezu ungehörige Frage wäre), frage ich: "was ist das Gute, dass mich diese Bilder so schockieren und mitnehmen?" Analog zu all den anderen aktuellen Nachrichten.

 

Dieser gedankliche Trick hilft mir sehr.

10.) Plätzchen backen


Wie gut, dass so langsam die Vorweihnachtszeit beginnt und das jährliche Plätzchen backen beginnen kann. In emotional belastenden Phasen wähle ich Plätzchen aus, die volle Aufmerksamkeit brauchen - und schon nach kurzer Zeit sind Trump, Gaza, Valencia ... aus meinem Kopf verschwunden.

 

Analog geht natürlich: Motorrad reparieren, Kompliziertes häkeln, Brettspiele ... alles, was die Aufmerksamkeit durch Tun auf etwas anderes, neutrales oder schönes richtet.

Gedankensteuerung nicht nur in Krisen-Zeiten


Gedanken und auch Emotionen regulieren zu können, ist eine Exekutiv-Funktion. Also eine Fähigkeit, die hilft, ein gutes Leben führen zu können. Im Lerncoaching gehört es zum Standard-Repertoire und es ist eines von denen, das nicht nur fürs Lernen, sondern fürs gesamte Leben als so hilfreich angesehen wird. Daher: Gedankenkontrolle ist nicht nur in Krisen-Zeiten, sondern grundsätzlich sinnvoll.

 

❓Wie siehst deine mentale Krisenintervention aus? Was tust du dir Gutes, um Kraft und Energie zu haben? Schreib es gerne in die Kommentare!

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Kommentare: 3
  • #1

    Petra Korioth (Donnerstag, 21 November 2024 08:37)

    Liebe Iris,
    hab' Dank für die 10 Tipps, eine kleine Erinnerung für mich an Möglichkeiten, die ich selbst derzeit gut gebrauchen kann!
    Herzlichen Gruß
    Petra

  • #2

    Michi (Sonntag, 24 November 2024 09:45)

    Nummer 1 möchte ich sofort ausprobieren. Ich werde gleich meiner seit ewig besten Freundin schreiben! :)

    Was mir hilft: Klavier spielen (ich lerne noch!), häkeln, meiner Tochter beim Schlafen zuschauen, progressive Muskelentspannung, Social Media breaks (zumindest für Stunden)

  • #3

    Iris (Sonntag, 24 November 2024 18:44)

    Liebe Iris, liebe Gruppe,
    mir hilft Spazierengehen, dabei neue Wege und somit neue Perspektiven/Bilder zu sehen, den Kopf wieder frei zu bekommen...
    Zudem gestalte ich bei besonders bewegenden Momenten im Außen, neue Einstimmungen für meine wöchentlichen Seminare, die das Gute im Moment, das Gute in unserem Miteinander hervorheben, um somit bei Zeit den ein oder anderen Seminartag mit einer Danke-Übung zu beenden (Jeder dankt einem Teil der Seminargruppe für etwas, was er durch diesen Menschen heute im Seminar gelernt hat, herausgefunden hat, ....)
    Lernen aus der Vergangenheit - Ja, Valencia ist furchtbar - jedoch was hat Menschen vor gar nicht langer Zeit im Ahrtal geholfen? Zusammenhalt, Anpacken und Tun - sicher sucht man nach Schuldigen (zu späte Nachricht), doch das lasse ich unter Frustbewältigung laufen. Hier hole ich mir ein Büchlein von Pescheskian und hoffe, mit der einen oder anderen Geschichte einen konstruktiv-lösungsorientierten Umgang in mir beim Hören eine Katastrophe zu finden.
    Worst Case- Schlimmer geht immer - ich sehe in die Vergangenheit und lasse mich 'belehren'. Ich kann mit meiner Stimmen nur für mich für das H+J sprechen, zur Diskussion anregen, Aussagen hinterfragen, Recherche betreiben und auch Folgen von z.B. Wahlen aus der Vergangenheitsperspektive, aus dem heute und für die Zukunft reflektieren. Auch wieder in einer Lerngruppe. Dafür gebe ich bewusst Zeit - dann ein Switching - um so auf die eigentlichen Lerninhalte des Heute wieder auszurichten.
    Denn - wir wachsen auch an Krisen - hier suche ich mir Heldinnen und Helden, die dies schon geschafft haben und wir nehmen uns in der nächsten Schulwoche/Seminarwoche- jeden Tag oder eben nur 1x am Seminartag eine dieser Persönlichkeiten vor (dabei übergebe ich die Namen auf einem Zettelchen und bitte die TN, ca. 5 Min. uns bei unserem nächsten Treffen über diese Person etwas zu erzählen und uns an diesem Menschen lernen zu lassen (Modeling)
    Herzliche Grüße,
    Iris St.