Wäre ich die Dankbarkeit, dann würde ich mir wahrscheinlich erstaunt die Augen reiben, über meine kometenhaften Karriere in den letzten paar Jahren. Wie kann es sein, dass aus einem verstaubten Begriff aus der Nachkriegszeit plötzlich ein Credo für zufriedenes Leben geworden ist? Noch vor 15 Jahren hätte sich schon bei der Nennung des Wortes bei vielen ein undefinierter Widerwillen eingestellt - heute ist sie Gegenstand vieler Anleitungen zum Glücklichsein. Was ist hier passiert?
Die dunkle Seite der Dankbarkeit
Immer dann, wenn Dankbarkeit von anderen gefordert oder von einem selbst eingefordert wird, dann steht Dankbarkeit unter einem schlechten Stern.
Hört man ein "Sei dankbar dafür, dass wir Dich so unterstützt haben", will sich so gar nicht ein Gefühl der Dankbarkeit einstellen. Sondern vielmehr Trotz oder ein Wehren dagegen: eigentlich habe ich das alleine geschafft, wofür soll ich also dankbar sein? Es ist das unzufriedene Jammern, das in der Forderung nach Dank liegt - und das mag man einfach nicht.
Ebenso schlecht tut es, wenn man andere zu Dankbarkeit auffordern möchte. "Du könntest schon ein bisschen dankbar sein, dass ich Dir das ermöglicht habe ...!" Welch grauenvoller Satz, selbst wenn er nur gedacht ist! Letztlich ist es das Buhlen um Anerkennung und Wertschätzung - ein denkbar schlechter Weg dies zu tun!
Die neue, moderne Dankbarkeit hat damit nichts mehr zu tun. Es ist eine Emanzipation davon.
Die helle Seite der Dankbarkeit
Heute steht Dankbarkeit für Achtsamkeit. Es wird Menschen, Umständen und Situationen eine Beachtung geschenkt, die selbstverständlich erscheinen mögen und für die man oft keine eigene Leistung gebracht hat - zumindest keine unmittelbare.
So steht Dankbarkeit beispielsweise dafür, dass man in einem gutsituierten Land geboren wurde oder dass man gesund ist oder dass man sich den Luxus erlauben kann an einem normalen Arbeitstag eine Stunde gemütlich in einem Café zu sitzen, hoch im Kurs. Immer wohlwissend, dass eine radikale Veränderung jederzeit möglich ist.
Dabei ist die schönste Dankbarkeit die stille Dankbarkeit. Eine, die ich nicht die Welt hinausposaunen muss, sondern nur für mich selbst empfinden und teilen kann. Dann wird sie auch nicht inflationär.
Denn die Gefahr der Überbeanspruchung ist sicherlich gerade da: kein Buch oder Artikel über Selbstmanagement und Glück, in dem man nicht aufgefordert wird, ein Dankbarkeits-Tagebuch zu führen in dem mindestens drei Situationen festgehalten werden sollen, für die man dankbar ist. Das hat schon wieder etwas Dogmenhaftes bekommen und ist behaftet mit einem Hauch des Aufforderungscharakters wie bei der dunklen Seite der Dankbarkeit.
Lasst uns Dankbarkeit nicht so sehr instrumentalisieren, sondern sie einfach im Stillen und in Bescheidenheit ausleben. Dann ist sie am schönsten :-)!
Danke für's Teilen!
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