Der 15-jährige Leon schlurft betont unmotiviert in den Coachingraum. Das passt gut ins Bild, denn Eltern und Lehrer klagen sehr darüber, dass Leon mit äußerst geringer Koopera-tionsbereitschaft bei der Sache ist. Egal was man von ihm möchte, bei jeder Gelegenheit stöhnt er, verdreht die Augen, seufzt, macht alles extra langsam, schlecht gelaunt und offensichtlich unwillig. Aber dies mit großer Konsequenz.
Mitschüler, Lehrer und Eltern kommen mit dieser Art immer weniger gut zurecht. Das führt dazu, dass sich Leon abgelehnt fühlt und dies wiederum verstärkt seine Abwehrhaltung. Ein Teufelskreis,
den es irgendwie zu durchbrechen gilt. Leon kam mehr oder weniger freiwillig ins Coaching, und auch ich stieß zunächst auf eine Mauer der "Ablehnung und Unmotiviertheit".
Da erinnerte ich mich an eine Coaching-Methode von Danie Beaulieu, die ich schließlich bei Leon ausprobierte. Ich legte ein kleines, schön verpacktes Geschenk auf den Tisch (das Leon gleich beim Reinkommen ganz neugierig beäugte) und als er sich setzte, schneuzte ich in ein Taschentuch, zerknüllte es und legte es neben das Geschenk. „Heute ist ein guter Tag, um Geschenke zu verteilen. Nun hast lieber das verpackte Geschenk haben oder lieber das Taschentuch?“ Leon sah mich an als würde er sich fragen: „Wer von uns braucht hier ein Coaching?“ Aber zugleich sah er mich auch sehr aufmerksam an. „Was hat dies wohl wieder zu bedeuten?“ stand auf seiner Stirn geschrieben.
Er zeigte natürlich auf das schön verpackte Geschenk. „Das hätte ich auch genommen!“ sagte ich fröhlich. „Und weißt Du warum? Weil es nett aussieht, weil ich es gerne auspacken würde, weil ich
neugierig bin was drinnen ist und weil es einfach vielversprechender ist, oder?“ Leon nickte.
„Und wie ist das bei Dir? Wie würdest Du Deine Verhaltensweisen in der Schule einschätzen: welche sind ein hübsch verpacktes Geschenk und welche ähneln eher dem Taschentuch?“ Ein leichtes
Aufblitzen in Leon's Blick zeigte mir, dass er eine Erkenntnis erlangte.
Die Taschentuch-Technik erwies sich tatsächlich als äußerst nützlich. Leon und ich konnten plötzlich sehr konstruktiv über sein aktuelles Verhalten sprechen und verschiedene
Veränderungsmöglichkeiten erarbeiten. Die Technik förderte die Aufmerksamkeit, weil sie etwas Besonderes und Ungewöhnliches ist. Sie ist eine schnelle und sehr aussagekräftige Metapher. Und das
Bild des Taschentuchs wurde zum Erinnerungssignal für unkooperatives Verhalten, das Geschenk für kooperatives Verhalten. Hätte ich mit Leon nur geredet, hätte es sicherlich nicht diese Wirkung
gehabt. Davon bin ich überzeugt.
Im Coaching wird aber immer noch zu 80% über Sprache, z.B. als Anleitung für mentale Prozesse, gecoacht. Doch gerade im Kinder- und Jugendcoaching sind es die spielerischen Elemente und der Einsatz von kreativen Methoden, die Veränderungsprozesse voranbringen - weil sie Situationen, Probleme, Lösungen und Strategien unmittelbar erleb- und erfahrbar machen.
Mittlerweile habe ich eine ganze Sammlung solcher kreativer Coaching-Methoden, die ich je nach Thema und Situation einsetze. Dazu gehören Spiele, Bastel-Materialien, Bewegungselemente, Musik,
viele viele Alltags-Gegenstände, Figuren, Stofftiere, Naturprodukte wie Steine oder Äste, Symbole etc. Und ich mache immer wieder die Erfahrung, dass mit der Verwendung dieser kinästhetischen
Elemente sehr häufig der Knoten platzt und Raum für tiefgehende Veränderung gegeben wird.
Lust auf mehr? Im AfterWork Mikro-Seminar am 30.06.16 von 18:30-21:30 Uhr "Kreative Coaching-Methoden" gibt es viele Anregungen und Ideen. Mehr Infos gibt es hier.
Danke für's Teilen!
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